Café DenkMal Philosophisches Café am 03.
Oktober 2025 Thema: Voraussetzungen und Bedingungen
der Bewusstwerdung Bewusst: seit
dem 18. Jahrhundert Fachausdruck der Philosophie und Psychologie, gemeint sind
nicht sämtliche Erlebnisse, sondern nur die, denen sich die Aufmerksamkeit
zuwendet. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) Volle Bewusstheit: sie tritt erst ein, wenn ein Erlebnis nicht
nur erlebt, sondern zum Gegenstand der Selbstwahrnehmung erhoben wird. Daneben
aber bedeutet bewusst auch ein Wissen von einem Gegenstand, auf den wir
gerichtet sind, sowohl dort, wo es sich um Gegenstände der Wahrnehmung der
Außenwelt handelt, als auch bei Gefühlen und Willensregungen. Es lassen sich
vier Bedeutungen des Worts unterscheiden: 1. Im weiteren Sinne jeder von uns
registrierte innerpsychisch wirksame Vorgang. 2. Im engeren Sinne ein solcher
Vorgang, wenn wir ihm die Aufmerksamkeit zuwenden und ihn zum Gegenstand der
Selbstwahrnehmung machen. 3. Die Gegenstände, die sich uns als solche in den
psychischen Akten darbieten (intentionales Bewusstsein). 4. Voll bewusst, wenn
wir die Dinge im Zusammenhang anschauen und / oder begrifflich fassen und /
oder denkend bearbeiten (Bewusstsein in der Bedeutung der Erkenntnistheorie).
Im Unterschied dazu wird unbewusst entweder als Grenzbegriff für das ganz schwach
oder flüchtig Bewusste und daher nicht Erinnerbare oder für das Fehlen von
Zwischengliedern für einen angenommenen Erlebniszusammenhang, wie wir ihn bei
der Deutung der bewussten Erlebnisse konstruieren, verwendet. (nach Regenbogen,
Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)
Bewusstsein:
in der Psychologie wird unter Bewusstsein unmittelbar der vorgefundene
Gesamtinhalt des seelischen und geistigen Erlebens an Sinneseindrücken,
Erinnerungen, Gefühlen, Willensregungen und Gedanken, aber auch der Prozess der
Bewusstseinstätigkeit verstanden. Kennzeichen des Bewusstseins sind
Einheitlichkeit und ein kognitiver Status für den Zusammenhang der jeweils
eigenen Erlebnisse. Man bezeichnet dies als Enge des Bewusstseins. Als physischer
Träger des Bewusstseins wird bei den meisten Theorien das Nervensystem
angenommen, insbesondere die Großhirnrinde. Insofern das Bewusstsein eine
Einheit bildet, deren Gehalt vom Träger als sein Eigentum empfunden wird, wird
es als Bewusstsein seiner selbst, seiner Eigenart und seines Wertes zum
Selbstbewusstsein. In der modernen Philosophie des Geistes wird u. a.
diskutiert, ob das Bewusstsein in seiner angedeuteten Vielschichtigkeit einer
objektiven wissenschaftlichen Beschreibung zugänglich ist oder ob es
irreduzibel subjektive Eigenschaften hat. Für seine wissenschaftliche
Beschreibbarkeit plädiert z. B. D. C. Dennett. In der Erkenntnistheorie ist das
Bewusstsein, besonders seit Immanuel Kant, dass wissende Subjekt, das sich von
dem gewussten Objekt unterscheiden lässt; das überpersönliche, erkenntnistheoretische
Subjekt nennt er das Bewusstsein überhaupt. Es ist als solches das Korrelat
aller Bewusstseinsinhalte, die in ihm als Objekte der Erkenntnis auftreten
können. Der zuerst von K. L. Reinhold im Anschluss an Immanuel Kant
aufgestellte Satz des Bewusstseins besagt, dass alle Wirklichkeit nur als
Inhalt des Bewusstseins gegeben und bestimmbar ist. Bewusstseinsprinzip: dies ist die von René Descartes zuerst vertretene
Lehre, nach der die Seele nicht das Lebensprinzip, sondern nur die Trägerin des
Bewusstseins ist. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen
Begriffe)
Wir sind gestaltgewordenes
Bewusstsein. (Willigis Jäger)
Das Gedächtnis ist die Fantasie mit
Bewusstsein. (Immanuel Kant)
All unser Wissen ist immer an das
Bewusstsein gebunden. (Sigmund Freud)
Die gewöhnlichste Form des Wissens ist
die ohne Bewusstheit. Bewusstheit ist Wissen um ein Wissen. (Friedrich
Nietzsche)
Allzu viel Bewusstheit tötet den
echten Willen, den instinktiven Drang zur Tat und lässt nur das bloße Wollen
zurück. (Oswald Spengler)
Café DenkMal Philosophisches Café am 05.
September 2025 Thema: Erfahrung und Vorwegnahme der
Zukunft. Zu einer konstruktiven Regression Regression:
ist
ein innerer Abwehrmechanismus, der in der Regel dann auftritt, wenn andere
Abwehrmechanismen nicht ausreichen, um einen von der realen oder psychisch
introjizierten Umgebung aufgenötigten Befriedigungsverzicht zu erzielen und
aufrecht zu erhalten. (nach Arnold, Eysenck, Meili, Lexikon der Psychologie)
Erfahrung:
zuerst bei Paracelsus für lateinisch
experientia gebraucht, es wird allgemein als das mit den Organen der
Sinneswahrnehmung Erkundete verstanden, im Unterschied zu bloß Gedachtem
Rationalismus), auf Autorität Angenommenem (Dogmatismus) und geschichtlich
Überliefertem (Tradition); daher im neuzeitlich wissenschaftlichen Denken
sowohl der Weg (Methode) als auch das Ergebnis des auf Wahrnehmung, Beobachtung
und Experiment beruhenden Forschens und Erkennens (Empirie). (nach Regenbogen,
Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) Zukunft: Dimension
der Zeit; im Unterschied zur Gegenwart das zu Erwartende, noch nicht
Realisierte, auf uns Zukommende; als Gegenstand einer philosophischen Reflexion
vor allem in der Geschichtsphilosophie und in Utopien behandelt; in der
Existenzphilosophie (Heidegger, Sartre) Dimension der Zeitlichkeit im Entwurf
des Daseins auf Möglichkeiten hin. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der
philosophischen Begriffe)
Ewiges Leben – eine unrealistische Regression des psychisch
Unreifen. (Sigmund Freud)
Die Maske des Erwachsenen heißt Erfahrung. (Walter Benjamin)
Wir gewinnen im Leben bestenfalls eine einzige wesentliche
Erfahrung, und das Geheimnis der Lebenskunst besteht darin, diese Erfahrung
möglichst oft zu reproduzieren. (Oscar Wilde)
Es ist nicht genug, die Erfahrungen zu zählen: man muss sie auch
wägen und ordnen. Man muss sie verdauen und erwägen, damit man aus ihnen die
Gründe und Schlüsse ziehen kann, die aus ihnen zu ziehen sind. (Michel de
Montaigne)
Erfahrung macht bedenklich. (Horaz)
Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern
darauf, auf die Zukunft vorbereitet zu sein. (Perikles)
Was sich im Geist ereignet, ist Vorbereitung einer sich
ausbildenden Zukunft, und diese Zukunft sind wir selber. (Bettina von Arnim)
Für die Zukunft leben zu wollen, - ist ein Knabentraum, und nur
wer für den Augenblick lebt, lebt für die Zukunft. (Heinrich von Kleist)
Das Einordnen ist der Erkenntnismodus der verwalteten Welt:
Erfassen, Feststellen, Ablegen. Es bringt die Begriffe um ihre Vitalität, indem
es sie zu Etiketten macht – zu sprachpolitischen Instrumenten, die das
zeitsparende Abchecken erleichtern und von weiteren Suchbewegungen wirksam
entlasten. (Ralf Konersmann)
Die Moderne braucht Leute, die bereit sind, abzuweichen und aus
der Höhle des Jargons herauszutreten. (Ralf Konersmann)
Die moderne Gesellschaft entlässt die Einzelnen in die
Selbständigkeit; genau damit aber fordert sie sie dazu auf, die Entscheidung
über ihre Stellung in der Welt nun selbst in die Hand zu nehmen und eine
Haltung an den Tag zu legen, die Missverständnisse ausschließt. (Ralf
Konersmann)
Café DenkMal Philosophisches Café am 01.
August 2025Thema: Fortschrittsglaube,
Zukunftsangst und das Recht aufs AnalogeFortschritt: seit
dem 18. Jahrhundert gebräuchlich zur Bezeichnung der stetigen Entwicklung zum
Höheren, Vollkommeneren, Wertvolleren, Besseren, Zweckmäßigeren in der Natur
und in der Menschheit. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen
Begriffe)
Zukunft: Dimension
der Zeit; im Unterschied zur Gegenwart das zu Erwartende, noch nicht
Realisierte, auf uns Zukommende; als Gegenstand philosophischer Reflexionen vor
allem in der Geschichtsphilosophie und in Utopien behandelt. In der
Existenzphilosophie, insbesondere bei M. Heidegger und J. P. Sartre ist die
Bedeutung auf die Dimension der Zeitlichkeit im Entwurf des Daseins auf
Möglichkeiten hin gemeint. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der
philosophischen Begriffe)
Angst: das Gefühl
der Enge, der Zustand des Beengt-, des Bedrohtseins, wobei jedoch weniger das Wovor,
das Objekt, das die Gefahr in sich birgt, wie bei der Furcht, als das Worum,
das gefährdete Subjekt in seinem wesentlichen Sein selbst, in Frage steht. In
der neueren Philosophie spielt der Begriff der Angst, namentlich im
Zusammenhang mit Spekulationen über Abgrund, Nichts, Unendlichkeit u. a. eine
große Rolle. Kierkegaard sieht die Angst als Möglichkeit der Freiheit. Bei
Heidegger ist die Angst eine Grundbefindlichkeit der menschlichen Existenz.
(nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)
Das altmodische Wort Zufriedenheit mit sich und der Welt
ist, trotz allem Fortschrittsglauben, ob wir es wahrhaben wollen oder nicht,
der Schlüssel zum Geheimnis des Glücks. (Nicolas Chamfort)
Der bedingungslose Fortschrittsglaube, der Aberglaube
unserer Zeit. (Helmut Glaßl)
So kurz ist die Gegenwart zwischen Vergangenheitsbewältigung
und Zukunftsangst. (Raymond Walden)
Hoffnung ist analog, Hoffnungslosigkeit digital. (Georg
Skrypzak)
Der virtuelle Follower ist ein analoges Schaf. (Huey
Colbinger)
Digitale Auszeiten sind analoge Mehrzeiten. (Helmut Glaßl)
Die Auslegung ist nicht Kenntnisnahme des Verstandenen,
sondern die Ausarbeitung der im Verstehen entworfenen Möglichkeiten. …Das die
ausgezeichnete Möglichkeit aushaltende, in ihr auf sich Zukommen-lassen ist das
ursprüngliche Phänomen der Zukunft. (Martin Heidegger)
Man darf unter Zukunft nicht ein „Jetzt“ verstehen, das noch
nicht wäre. …Die Zeit ist das, was ich zu sein habe, insofern ich vermag, es
nicht zu sein. …In diesem Sinn ist die Zukunft der Vergangenheit streng
entgegengesetzt. Zwar ist die Vergangenheit das Sein, das ich außerhalb von mir
bin, aber es ist das Sein, das ich ohne Möglichkeit bin, es nicht zu sein. …Das
bedeutet, dass die Zukunft den Sinn meines gegenwärtigen Für-Sich konstituiert
als den Entwurf seiner Möglichkeit, dass sie jedoch keineswegs mein künftiges
Für-Sich vorausbestimmt. …Ich bin meine Zukunft in der konstanten Perspektive
der Möglichkeit, sie nicht zu sein. …Die Zukunft ist nicht, sondern sie
vermöglicht sich.“ (J. P. Sartre)
Die beste Vorbereitung der Zukunft liegt in der Güte des
gegenwärtigen Zustandes, der durch seine inneren Eigenschaften sich
fortzusetzen verspricht.“ (Hans Jonas.)
Café DenkMal Philosophisches Café am 04.
Juli 2025 Thema: Langeweile und Muße als
Provokation Muße: griechisch
scholé, lateinisch otium, ursprünglich das Freisein von Staatsgeschäften und
von Verpflichtungen im Haushalt. Bei Plato ist die Muße die Voraussetzung für
die Schau der Dinge und damit eine der Bedingungen für die philosophische
Betätigung. Bei Aristoteles ist sie die höherwertige Lebensform gegenüber der
Arbeit. Seitdem in der Neuzeit geistige Betätigung als Arbeit begriffen wird,
wird Muße abgewertet als Müßiggang. Mit der Durchsetzung des bürgerlichen
Denkens wird die Berufsarbeit als Erwerbstätigkeit erster Sinn des Lebens.
(nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen Begriffe) Langeweile: ein
psychologischer Zustand verbunden mit einer Monotonie der Umgebung und zu
beschreiben durch negative Affekte. Verlust des Interesses, flukturierende
Aufmerksamkeit, geringen Aktivationsgrad und beeinträchtigte Effizienz bei der
Arbeit. Im Extremfall kann Langeweile Symptome hervorbringen, die von
Depression bis Erregung und Halluzinationen reichen. (Arnold, Eysenck, Meili,
Lexikon der Psychologie)
Ich glaube nämlich, dass in der Welt viel zu viel gearbeitet
wird, dass die Überzeugung, Arbeiten sei an sich schon vortrefflich und eine
Tugend, ungeheuren Schaden anrichtet, und dass es nottäte, den modernen Industrieländern
etwas ganz anderes zu predigen, als man bisher gepredigt hat. (Bertrand
Russell)
Ohne die Klasse der Müßiggänger wären die Menschen heute
noch Barbaren. (Bertrand Russell)
Interessant ist, daß das Wort Langeweile in seiner
zusammengesetzten Form erst im 18. Jahrhundert auftritt und gebräuchlich wird,
wie das Grimmsche Wörterbuch beweist. (Roman Bleistein)
Die Langeweile signalisiert, daß es mit der Humanität der
Industriegesellschaft nicht zum besten bestellt ist. (Roman Bleistein)
Langeweile ist Hunger. (Novalis)
Dauerndes Glück ist Langeweile. (Oswald Spengler)
Langeweile ist eine böses Kraut, aber auch eine Würze, die
viel verdaut. (Johann Wolfgang von Goethe)
Langeweile hängt zusammen mit den den Menschen immer wieder
beschäftigenden Fragen nach der Zeit, nach dem Wert, nach dem Sinn der Welt und
des eigenen Lebens überhaupt. (Roman Bleistein)
Langeweile signalisiert – trotz der Fülle der Erlebnisse –
einen Wirklichkeitsverlust. (Roman Bleistein)
Muße und Langeweile unterscheiden sich also wesentlich dadurch,
daß Muße ein positives, geordnetes, erfüllendes Verhalten zur Außenwelt
darstellt, Langeweile hingegen ein negatives, gestörtes, frustrierendes
Verhalten. (Roman Bleistein)
Habet Muße und erkennet, dass ich Gott bin. (Psalm 45,11)
Muße ist die Haltung des empfangenden Vernehmens, der
anschauenden, kontemplativen Versenkung in das Seiende. (Josef Pieper)
In der Muße ist überdies etwas von der Heiterkeit des
Nichtbegreifenkönnens, von der Anerkennung des Geheimnischarakters der Welt,
von der Starkherzigkeit des blinden Vertrauens, das den Dingen ihren Lauf zu
lassen vermag; es ist etwas darin von dem Vertrauen auf das Fragmenthafte, das
eben das Leben und das Wesen der Geschichte bildet. (Josef Pieper)
Café DenkMal Philosophisches Café am 06.
Juni 2025 Thema: Ekstase in Strukturen:
Religiosität Struktur: lat structura
von struere = bauen, aus der Bautechnik herkommend wurde der Begriff in der
Antike ursprünglich in der Anatomie gebraucht, analog zur allgemeinen Bedeutung
für das Gefüge, den Aufbau eines zusammengesetzten Bildes nach einer leitenden
Idee oder auf Grund eines beherrschenden Faktors. In der Chemie bedeutet
Struktur die Lage der Atome im Molekül; in der Biologie die organische
Gliederung. Der ursprünglich teleologisch gemeinte Begriff wies auf eine
vitalistische Lebensauffassung hin. Drittens bedeutet Struktur in der
Psychologie das Gefüge der seelischen und geistigen Anlagen, das ein Ganzes
bildet und individuell oder typisch verschieden ist. W. Dilthey führte den
Begriff als Anordnung, nach welcher im entwickelten Seelenleben unterschiedlich
psychische Tatsachen regelmäßig durch innere erlebbare Beziehungen miteinander
verbunden sind. (nach Meyer, Regenbogen, Wörterbuch der philosophischen
Begriffe)
Lachen ist
die eigentliche Religion. Ernst ist nie religiös, kann nicht religiös
sein. Ernst kommt aus dem Ego, gerade das macht die Krankheit aus… Religion
kann nichts anderes sein als eine Feier des Lebens… Das ganze Spiel des Daseins
ist so schön, dass Lachen die einzige Antwort darauf sein kann. Nur Lachen kann
wirkliches Beten sein – die einzige wirkliche Dankbarkeit. (Osho)
Tage ohne Struktur sind wie Glatteis auf dem Lebenspfad. (Raymond
Walden)
Ärzte: Wissen möchtet ihr gern die geheime Struktur des Gebäudes,
und ihr wählt den Moment, wenn es in Flammen gerät. (Friedrich von Schiller)
Unreinlichkeit, schlotteriges Wesen gehören nicht zur
Religiosität; weder 1. Petrus 3.3.4, noch ein anderer Text der Schrift verdammt
Nettigkeit der Kleidung; diese ist nichts weniger als Sünde, sie ist sogar
Pflicht! Sauberkeit ist in der Tat nahezu Religiosität. (Rowland Hill)
Auch die Verzweiflung hat ihre Ekstase. (Victor Hugo)
Wenn die Zuhörer nicht gleich in Ekstase geraten, denk ich: Da
haben wir’s! einmal wieder etwas Missglücktes! Und geraten sie in Ekstase, dann
denk ich: Sie verstehen nichts. (Marie von Ebner-Eschenbach)
Wirkliche und wahre Religiosität ist nicht lediglich betrachtend
und beschauend, nicht bloß brütend über andächtigen Gedanken, sondern sie ist notwendig
tätig. (Johann Gottlieb Fichte)
Die Religiosität führt sich biologisch auf die lang anhaltende
Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit der kleinen Menschen Kindes zurück, welches,
wenn es später seine wirkliche Verlassenheit und Schwäche gegen die großen
Mächte des Lebens erkannt hat, seine Lage ähnlich wie in der Kindheit empfindet
und deren Trostlosigkeit durch die regressive Erneuerung der infantilen
Schutzmächte zu verleugnen sucht. (Sigmund Freud)
Wir leiden alle unter demselben geistigen Verhängnis. Wir haben
alle unsere Namen vergessen. Wir haben alle vergessen, was wir wirklich sind.
Alles, was wir gesunden Menschenverstand und Rationalität und Praktikabilität
und Positivismus nennen, heißt nur, dass wir während gewisser toter Phasen
unseres Lebens vergessen, dass wir vergessen haben. Alles, was wir Geist und
Kunst und Ekstase nennen, heißt nur, dass wir einen schrecklichen Moment lang
daran erinnern, dass wir vergessen. (G. K. Chesterton)
Café DenkMal Philosophisches Café am 02.
Mai 2025Thema: Begeisterung und Selbstaufgabe
oder Ekstase? Begeisterung:
Seit
dem 18. Jahrhundert gebräuchlich für Enthusiasmus (lat. inflammatio animi); die
Begabung mit Geist, im religiösen Sin die Erfüllung mit göttlichem Geist,
allgemein die Steigerung der Erlebnis- und Leistungsfähigkeit durch bedeutende
Gegenstände, hervorragende Persönlichkeiten oder außerordentliche Ereignisse.
(nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)
Selbst: Reflexivpronomen,
welches die interne Beziehung eines grammatischen oder auch lebendigen Subjekts
auf sich anzeigt, daneben in Kontexten, in denen ein automatischer Vorgang
bezeichnet werden soll. In der Theoriesprache ist das Selbst auch als Nomen
eingeführt worden, sofern eine Person sich theoretisch oder praktisch zum
Gegenstand macht, oder auch in Kontexten, in denen die Selbstbezeichnung des
reflektierenden Menschen thematisiert wird. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch
der philosophischen Begriffe)
Ekstase: Der Begriff
Ekstase ist problematisch, da Ekstase als immanente innere Erfahrung keine
Entsprechung in der äußeren transzendenten Welt besitzt. Ekstase ist selber eine
Form der Kommunikation. (Knut Ebeling, Der Krieg im Kopf)
Ohne Schmerz verfallen wir in eine
totale Indifferenz. Wir erkennen nicht mehr die belebende, beflügelnde Kraft
des Schmerzes. (Byung-Chul Han)
Die Ethik der Leere unterbricht die
Symmetrie von Aktion und Gegenaktion, von Tun und Gegenleistung. Sie macht auch
eine reine Gabe möglich. (Byung-Chul Han)
Begeisterung allein ist nicht genug;
man fordert die Begeisterung eines gebildeten Geistes. (Friedrich Schiller)
Fanatismus ist die Karikatur der
Begeisterung. (Friedrich Löchner)
Eifer ist Begeisterung, gemildert
durch Vernunft. (Blaise Pascal)
Verständnis des Schönen und
Begeisterung für das Schöne sind eins. (Marie von Ebner-Eschenbach)
Da wo die Nüchternheit dich verlässt,
da ist die Grenze deiner Begeisterung. (Friedrich Hölderlin)
Es gibt drei Arten heiliger Ekstase:
eine des Verstehens, eine des Fühlens und eine der Tat; die eine im Glanz, die
andere in Glut und die dritte im Werk; die erste vollzieht sich in der
Bewunderung, die andere in Gottesnähe und die dritte im Tun. (Franz von Sales)
Entweder man übernimmt eine
Lebensaufgabe, oder es kommt zur Selbstaufgabe. (Elisabeth Lukas)
Literatur: Georges Bataille (2017). Die innere Erfahrung. Berlin:
Matthes & Seitz. Knut Ebeling (2024). Der Krieg im Kopf. Meditieren mit
Bataille. Berlin: Matthes & Seitz. Byung-Chul Han (2025). Sprechen über Gott. Ein Dialog mit
Simone Weil. Berlin: Matthes & Seitz)
Café DenkMal Philosophisches Café am 04.
April 2025 Thema: Die Dekonstruktion des Religiösen Dekonstruktion:
Von
Jacques Derrida unter Berufung auf Martin Heidegger entwickelte Arbeitsweise
zur Interpretation von Traditionen des Denkens. Die Frage dabei lautet: Wie
lässt sich etwas von der Tradition Unterschiedliches denken, wenn das eigene Denken
selbst durch diese geprägt ist? Derrida sieht daher die mündliche Tradition als
unbedenklicher als die schriftliche an, da sie mehr Interpretationsweisen
bietet. Der Dekonstruktivismus nimmt
an, dass tradierte Texte auch unsichtbare Spuren hinterlassen, welche in einer
vielfältigen Interpretation aufgedeckt werden können. (nach Regenbogen, Meyer,
Wörterbuch der philosophischen Begriffe)
Religion, von
lateinisch religio, abgeleitet von religere (wiederholt durchgehen) oder von
religare (zurückbinden). Der Begriff erscheint im Deutschen zuerst 1517 statt
des sonst geltenden Glaube, Bekenntnis. Im Allgemeinen meint der Begriff die
Weltanschauung aus dem Glauben und die Lebensführung aus dem
Verbundenheits-, Abhängigkeits- und
Verpflichtungsgefühl gegenüber Gott, Göttern, Geistern und anderen
geheimnisvollen, haltgebenden und zu verehrenden obersten Mächten oder auch
kosmischen Prinzipien. Als natürliche oder auch als Vernunft-Religion im Sinne
der Aufklärung bezeichnet man auch eine Glaubenshaltung, die theoretisch nur
von der Forderung eines moralischen Pflichtbewusstseins ausgeht. Im sonstigen
Sprachgebrauch versteht man unter Religion die Überzeugung einer
übernatürlichen Offenbarung. (nach Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der
philosophischen Begriffe)
Kann man von Gott sprechen, ohne sich
an Gott zu wenden?... Das Eigentümliche an „Gott“ besteht genau darin, dass er
einen allgemeinen Namen zu einem Eigennamen erhebt und „den Gott“ als Kategorie
des Seienden in der Singularität einer Person verschwinden lässt. (Jean-Luc
Nancy)
Der Name Gott, an den man sich wendet,
oder von dem man spricht, ist nur scheinbar ein Eigenname, vielmehr ist er ein
Platzhalter dessen, der keinen Namen haben kann. (Jean-Luc Nancy)
Die erste Demut ist es, weder „Gott“
noch seinen „Willen“ zu kennen… (Jean-Luc Nancy)
Der kritische Verstand hat nunmehr
auch die Idee der Entmythologisierung entmythologisiert, insofern er auf den
Spuren Nietzsches entdeckt hat, daß auch der Anspruch einer endgültigen
Wahrheit, die frei von Mythen und von den Schleiern der Ideologie ist, einen
Mythos und eine ideologische Repräsentation darstellt. (Gianni Vattimo)
Seit ich nichts mehr glaube, bin ich
erst religiös geworden. (Friedrich Theodor von Vischer)
Niemand ist weiter von der wahren
Religion entfernt, als wer sich selbst für sehr religiös hält. (Erasmus von
Rotterdam)
In jeder Religion ist der religiöse
Mensch eine Ausnahme. (Friedrich Nietzsche)
Wir sind selbst für unser spirituelles
Leben verantwortlich. (Dalia Lama)
Spirituelle Revolution heißt, dass wir
die ständige Beschäftigung mit uns selbst aufgeben. (Dalai Lama)
Café DenkMal Philosophisches Café am 07.
März 2025 Thema: Wo bleibt der Mensch? Vision „Mensch“
im technischen Zeitalter Vision: spätmittelhochdeutsch
bedeutet es Traumgesicht. Es ist entlehnt aus dem Lateinischen visio =
Vorstellung, Idee, eigentlich Sehen, Anblick. (nach Kluge, Etymologisches
Wörterbuch)
Mensch: Als Menschen
anerkennen wir alle jene Wesen, die sich mit uns hier zu einem Wir
zusammenschließen können, bis an die Grenze, an der, in der Konfrontation mit
Tieren, keine gegenseitige Anerkennung mehr sinnvoll ist. Diesem Abstraktum geht
denkgeschichtlich sowie erlebnismäßig sowohl eine Abgrenzung zu Tieren,
Geistern und Göttern voraus wie auch der Inklusionsbegriff des Bruders oder
Nächsten. Damit ist der Begriff Mensch immer schon ethisch bestimmt und somit
mehr als eine biologische Einordnung. Der Mensch lebt aktiv in eine offene Welt
hinein, gestaltet die Welt mit technischen Mitteln. Mensch bezeichnet über
einen deskriptiven Klassenbegriff hinaus ein Ideal. (nach Brugger, Schöndorf,
Philosophisches Wörterbuch)
Zeitalter:
längerer historischer Zeitabschnitt, der durch gemeinsame
vorherrschende Denkströmungen, Lebensweisen und Gesellschaftsordnungen (z. B.
Antike, Mittelalter, Neuzeit), auch durch untereinander verwandte
Stilrichtungen in den Künsten oder vergleichbare Grundsätze der Raumgestaltung
( z. B. Renaissance, Romantik, Postmoderne) definierbar ist. (nach Regenbogen,
Meyer, Wörterbuch philosophischer Begriffe)
Die entscheidende Aufgabe ist somit, eine Theorie zu
entwickeln, die erklären kann, warum Bewusstsein wesentlich für unser Verhalten
ist und wie es sich evolutionär herausgebildet hat. Eine solche Theorie braucht
es, um zu zeigen, dass es einen Unterschied macht, ob wir bewusste Lebewesen
oder bloß Automaten sind. (Catrin Misselhorn)
Andererseits gilt es, die Furcht zu rehabilitieren, nicht um
zur Untätigkeit, Flucht ins Private (…) oder gar zum aggressiven Dreinschlagen
aufzurufen, sondern im Sinn des Jonas’schen Fürchtens um etwas, das uns lieb
und teuer ist. Diejenigen, die Furcht vor [z. B. der KI] haben, sind eine
kognitive und moralische Ressource, die man nutzen sollte. Schauen wir genau
hin, was das, wovor sie sich fürchten, über die Dinge aussagt, die uns wichtig
sind,… (Catrin Misselhorn)
Wir brauchen eine langfristige Vision, die Vision der Seele.
(Rabindranath Tagore)
Vision ist die Kunst, Unsichtbares zu sehen. (Jonathan
Swift)
Fortschritt in der Wissenschaft und Technik verbessern nicht
die Moral der Menschen. (Jean-Jacques Rousseau)
Wir kommen nur voran, wenn wir ganz wir selbst sind und
unsere gesamte Vergangenheit mitnehmen in die Bewegung des Lebens. Das gelingt
umso besser, je mehr wir uns von den Fesseln befreien, die im Laufe unserer
Geschichte und durchgemachter Prüfungen in uns gelegt wurden, sei es eine
hinderliche Lebensregel, eine unerträgliche Erinnerung oder eine allzu
empfindliche Wunde aus der Kindheit. (Charles Pépin)
Café DenkMal Philosophisches Café am 07.
Februar 2025 Thema: Vertrauen im Zeitalter der
Digitalisierung Da die Reize, die der Algorithmus uns serviert, nichts bedeuten,
da sie völlig zufällig sind, adaptiert sich unser Gehirn nicht an irgendetwas
Reales, sondern an eine Fiktion. (Jaron Lanier)
Wir haben es zu unserem Dogma gemacht, dass man die Verbindung
zwischen zwei Menschen nur durch einen dritten finanzieren kann, der dafür
bezahlt, beide zu manipulieren. (Jaron Lanier)
Wenn sich jedoch alle unaufhörlich mit ihrem Smartphone
beschäftigen, kannst du kaum ein Gefühl dafür bekommen, was in ihnen (den
anderen Menschen) vor sich geht. Ihre Gefühle werden durch weit entfernte
Algorithmen gesteuert. Zwischen dir und ihnen kann keine ungestörte
Gemeinsamkeit kommen, solange die Smartphones nicht beiseite gelegt werden.
(Jaron Lanier)
Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir von automatisierten
Systemen abgeurteilt werden, wo wir, ohne angehört und benachrichtigt zu
werden, auf irgendwelchen Listen (etwa einer No-Fly-List) landen, wo uns
Maschinen ständig den Prozess machen. (Adrian Lobe)
Die Digitalisierung führt ein neues Delikt ein: das Vorverbrechen.
…Die Prognosetechniken produzieren also neue Unsicherheiten, auf die der Staat
immer präventiver, restriktiver und mithin autoritär reagieren muss. (Adrian
Lobe)
Computer sind nicht dazu da, uns Antworten zu geben, sondern sie
sind Werkzeuge, um Fragen zu stellen. (James Bridle)
Vertrauen in die Maschine ist Voraussetzung ihres Einsatzes, und
das bestärkt andere kognitive Verzerrungen, die automatisierte Reaktionen per
se als vertrauenswürdiger betrachten als nicht-automatisierte. (James Bridle)
Der digitale Schwarm besteht dagegen aus vereinzelten Egos, die
sich nicht zu einer politischen Gestalt formieren. ...Mit dem Zerfall des
öffentlichen Raumes verschwindet das Fundament für jene Demokratie, die auf der
Herausbildung eines gemeinsamen Willens im öffentlichen Raum beruht.
(Byung-Chul Han)
Im respektvollen Umgang mit anderen hält man sich zurück mit
neugierigem Hinsehen. Der Respekt setzt einen distanzierten Blick, ein Pathos
der Distanz voraus. (Byung-Chul Han)
Die digitale Vernetzung erleichtert die Informationsbeschaffung
dermaßen, dass das Vertrauen als soziale Praxis immer mehr an Bedeutung
verliert. Es weicht der Kontrolle. (Byung-Chul Han)
Literatur: James Bridle (2018). New Dark Age. Der
Sieg der Technologie und das Ende der Zukunft. Byung-Chul Han (2013). Digitale
Rationalität und das Ende des kommunikativen Handelns. Byung-Chul Han (2013). Im Schwarm.
Ansichten des Digitalen.
J aron Lanier (2018). Zehn Gründe,
warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst. Adrian Lobe (2019). Speichern und
Strafen. Die Gesellschaft im Datengefängnis.
Café DenkMal Philosophisches Café am 03.
Januar 2025 Thema: Vom Misstrauen zum Vertrauen Vertrauen
ist eine grundlegende positive Beziehungsqualität zwischen Menschen. Es meint
als erstes ein einseitiges Entgegenkommen, den vorbehaltlosen „Kredit“, also
das Glauben (lat. credere), der andere werde zum Gelingen beitragen; als
zweites das Hoffen darauf, dass auch der andere wohlgesonnen ist. (nach
Regenbogen, Meyer, Wörterbuch der philosophischen Begriffe)
Aufbau von Vertrauen: 1. Phase: Herstellen einer verständnisvollen
Kommunikation. 2. Phase: Abbau von bedrohlichen Handlungen. 3. Phase: Gezielter
Einsatz von vertrauensauslösenden oder –fördernden Handlungen. (s. Petermann,
Psychologie des Vertrauens)
Vertrauen hat etwas mit
Übereinstimmungen zu tun; wer vertraut, öffnet sich. (Osho) …wer sich selbst vertraut, ist
gefährlich für die Gesellschaft… er ist unberechenbar, er hört nicht auf andere…
(Osho)
Lieber etwas misstrauen als jedem Mist
trauen. (Volkmar Frank)
Misstrauen ist das Alpha und Omega der
Weisheit. (Cicero)
Sehr klugen Personen fängt man an zu
misstrauen, wenn sie verlegen werden. (Friedrich Nietzsche)
Der Einwand, der Seitensprung, das
fröhliche Misstrauen, die Spottlust sind Anzeichen der Gesundheit: alles
Unbedingte gehört in die Pathologie. (Friedrich Nietzsche)
Eine Behauptung wirkt stärker als ein
Argument, wenigstens bei der Mehrzahl der Menschen; denn das Argument weckt
Misstrauen. Deshalb suchen die Volksredner die Argumente ihrer Partei durch
Behauptungen zu sichern. (Friedrich Nietzsche)
Die wichtigste Tugend des Bürgers ist
das Misstrauen. (Maximilien Robespierre)
Grundlage der freien Regierung ist das
Misstrauen… Misstrauen lässt uns Sicherungsvorschriften in die Verfassung
aufnehmen, die jene bindet, denen wir verpflichtet sind, Macht anzuvertrauen.
(Thomas Jefferson)
Die Demokratie ist eine Institution,
die den Zweifel, das Misstrauen und die Kritik organisiert. Das macht sie eigentlich
auch so erfolgreich. (Manfred Rommel)
Misstraue jeder Freude, die nicht auch
Dankbarkeit ist! (Theodor Haecker)
Man redet so viel, wie herrlich
Vertrauen sei. Man scheint zu übersehen, dass Misstrauen viel sublimeren Reiz gewährt.
Vertrauen ist immer plump, der Zweifel fördert unsere Entwicklung. (Oscar
Wilde)
Literatur:
Franz Petermann, Psychologie des
Vertrauens.
Martin Hartmann, Die Praxis des
Vertrauens.